Ich liebe Amazon — falsch! — ich liebte Amazon! Und damit beginnt deren Abstieg…..
Liebe Leser, nicht dass Sie mich nach meinem Sommerurlaub für größenwahnsinnig halten, aber manchmal stelle ich fest, dass einige meiner Verhaltensweisen als „pre-mainstream“ zu bezeichnen sind. Ich begann z.B. mich für die „neue Welle“ der preisgekrönten US-Fernsehserien zu interessieren, als die Sopranos schon lange auf dem Sender waren, aber das Genre noch in der Aufschwungphase war. Mittlerweile schwappt eine Tsunami-Welle über den Globus, gespeist von „Breaking Bad, Homeland, Game of Thrones etc.“. Ich war auch nicht der erste iPhone-Besitzer, aber meine Liebe zu den Apfel-Geräten begann sehr früh, jedenfalls bevor der große Hype losging. Seit Jahren schon ergreift mich die Sehnsucht eine Weitwanderung zu machen. Jetzt lese ich überall, dass das mittlerweile eine richtige Volksbewegung geworden ist.
Also bei einigen Sachen bin ich recht früh dabei – bei Einstieg, aber auch beim Ausstieg – seien es IBM-PCs, Microsoft-Produkte oder Facebook — und wenn sich die Geschäftspolitik von Apple nicht bald ändert, werde ich mich auch hier früher oder später abwenden.
Jetzt also Amazon – und dabei habe ich vor Wochen bei mir im Tennisklub jedem, der es hören oder nicht hören wollte, von meinen positiven Kundenerfahrungen vorgeschwärmt! Die Schnelligkeit der Lieferung! Die Kulanz bei Rückabwicklungen! Das online-Angebot! Sagenhaft!
Jetzt habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich nach Alternativen umschaue und auch wieder aktiv selbst in Geschäfte zum Einkaufen gehe. Die vielen Berichte darüber, wie sie ihre Kosten strategisch optimieren – wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen – wie sie Steuern optimieren, wie sie mit Verlagen und Lieferanten bis auf’s Blut verhandeln und teilweise sittenwidrige Bedingungen stellen. Jetzt auch noch das unvermeidbare Angebot „Premium“-Kunde für eine jährlich Flatrate zu werden – jetzt also auch hier das typische Rattenfänger-Prinzip der Kundenbindung.
Ur-plötzlich brummt in mir eine Stimme, die sich dagegen sträubt, dieses aufkommende Monster weiter zu ernähren. Das kommt mir so vor wie die Entwicklung der süßen faszinierenden kleinen Drachen in „Game of Thrones“, die sich – leider, leider – dann doch zu unkalkulierbaren Bestien entwickeln, die man schweren Herzens in Ketten legen muss.
Amazon mutiert zum Monster und geht den ewig gleichen Weg aller Möchtegern-Monopolisten: hinauf zur Sonne, um dann dem schnellen Niedergang entgegen zu schreiten. Wie dumm! Immer und immer wieder das gleiche Muster von Menschen, die meinen, der Erfolg geht nur über Größe und Verdrängung.
Der Niedergang einer Firma beginnt immer in dem Moment, an dem eine kritische Masse an früheren begeisterten Kunden plötzlich nicht mehr „stolz“ ist, Kunde zu sein – also meist dann, wenn das Ansehen sinkt! Firmen und ihre Kunden sind miteinander verbunden. Wir Kunden schmücken uns zum Teil auch mit den Firmen bei denen wir kaufen. Wer heute einen BMW über die Straßen scheucht, weiß ganz genau, warum er diese Marke unterstützt und nicht gerade einen Opel durch die Gegend fährt. BMW hat einen verdammt guten Ruf und ist so gut wie überall respektiert.
Wenn diese gute Stimmung in der Gesellschaft jedoch erst einmal kippt, dann wird es schwierig. Microsoft ist für mich der Klassiker für diese These. Microsoft hat so gut wie alles unternommen, um den Markt zu beherrschen. Diese „Win-Lose“-Mentalität generiert mit der Zeit ein solche Heerschar von Gegnern, denen es um nichts anderes geht, als das Monopol zu Fall zu bringen. Viele Menschen sehen es geradezu als ihre Mission an, solche Monopole zu zerstören. Die Entwicklung von LINUX als freies alternatives Betriebssystem ist eine der Früchte, die dieses engstirnige Management-Denken bei Microsoft selbst herangezüchtet hat. Vor Jahren hat Microsoft den Zug mit dem Internet verschlafen und ich kann noch nicht einmal Schadenfreude dabei empfinden. Es ist einfach nur tragisch, deren, zum Teil stümperhafte, Firmenstrategie als Hinterherläufer miterleben zu müssen. Recht so! Plötzlich gibt es Alternativen am Markt und man wendet sich sogar mit Lust einem anderen zu – „Ätsch Microsoft! Das hast Du Dir selbst zuzuschreiben, dass Du mich nicht mehr hast….“.
Amazon scheint den selben Weg zu gehen und wenn aus dem Wolf im Schafspelz (Jeff Bezos der Firmengründer) nicht doch noch ein WIRKLICH weit denkender vernünftiger Mann wird, dann werden wir in den nächsten 10-15 Jahren die selbe Story wieder erleben. Vielleicht muss das ja so sein. Vielleicht ist das Teil der Evolution. Die Blutspur, die Amazon in der Buch-, Logistik- und Medienwelt hinterlässt, generiert schließlich auch wieder ganz neue Wettbewerber – Anbieter und Geschäftsmodelle die wir heute noch gar nicht kennen — und das nennen wir dann wieder Fortschritt.
Karl-Heinz Büschemann hat in seinem schönen Artikel im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung am 16.8.14 folgendes klar auf den Punkt gebracht:
„Ein Unternehmen kann keinen dauerhaften Erfolg haben, wenn es in der Gesellschaft kein gutes Ansehen besitzt. Wer seinen Lieferanten als finstere Gewalt gegenübertritt, wird bei seinen Kunden den Rückhalt verlieren. Die wollen keinen Anbieter, von dem man weiß, dass er Verlage über den Tisch zieht und seine Mitarbeiter ausnutzt. Gnadenlose Härte ist kein nachhaltiges Geschäftsprinzip. Amazon ist ein Unternehmen, in dem es als Schwäche gilt, wenn am Markt beide Seiten gewinnen. Das ist ein Fehler. damit werden die Amerikaner scheitern.“
Wie Recht er hat! Warum geht das Prinzip der SYNERGIE einfach nicht in die Köpfe von so vielen Managern???? Was ist so schwer daran?
Synergie lebt vom „Gewinn-Gewinn“-Denken, zumindest einmal gegenüber allen „Stakeholdern“, also, Kunden, Lieferanten, Anteilseignern, Mitarbeitern, Partnerfirmen und allen Menschen und Organisationen, die ich zum Erfolg benötige. Das hat aber etwas mit charakterlichen Reife zu tun und diese charakterliche Reife stelle ich bei vielen dieser Unternehmenslenker ernsthaft in Frage. Paradoxerweise gelten sie dennoch als Ikonen unserer Welt und sie werden von Politikern behandelt wie die wahren Könige. Sie bewegen etwas und generieren das, wonach jede Gesellschaft lechzt: Arbeitsplätze (wenn schon keine vernünftigen Steuereinnahmen – die werden clever international optimiert). Aber diese „Ikonen“ sind alle an den Quartalsergebnissen orientiert, da unser Kapitalismus mit seiner Profit-Maximierungs-Philosophie zu einem win-lose-System degeneriert wurde. Die selben Manager, die in meinen Coachings sich darüber beklagen, dass in ihrem Unternehmen „Slot“-Denken herrsche und man deshalb nicht erfolgreicher sei, als man in Wahrheit sein könnte – genau diese Manager übersehen, dass sie ihr Unternehmen am Markt genauso egoistisch bewegen, wie es jeder Sales-Manager mit seiner Truppe gegenüber seinen Kollegen aus der Produktion oder der Forschung&Entwicklung tut.
Vielleicht dauert es ja noch ein paar Jahrzehnte, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass wahre Größe und nachhaltiger Erfolg in den Prinzipien liegen, die zur echten Synergie führen. (Vorsicht! Bitte nicht mit den „Synergieeffekten“ bei Firmenzusammenschlüssen verwechseln!)
Bis dahin wird Herr Piech trotzdem versuchen, mit aller Macht größter Automobilbauer der Welt werden und wird das auf dem Rücken der Belegschaft und der Lieferanten austragen.
Und Jeff Bezos wird weiter versuchen der Welt zu beweisen, zu was ein „Mastermind“ wie er so alles imstande ist zu leisten.
Lieber Jeff Bezos: Sie werden mich erst dann wieder als Kunden bekommen, wenn ich spüre, dass Sie die Prinzipien der Synergie erst nehmen und nicht als weiterer gescheiterter Dinosaurier in die Wirtschaftsgeschichte eingehen werden.
Ich fürchte nur, es wird ihn nicht sonderlich interessieren, dass ich hier bei ihm aussteige. Es sei denn, ich schwimme auch hier wieder unbewusst auf einer aufkommenden Tsunami-Welle mit — dann hat er aber ein wirkliches Problem.
Wie schade, ich liebte Amazon wirklich!