Der Patriarch verliert … und das ist gut so!

Ferdinand Piech hat Großes geleistet in seinem Leben – ohne Zweifel. Aber seine Ära als Führungskraft geht zu Ende und ich glaube – es ist gut so!

Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich führe kein Plädoyer für die generelle Abdankung von starken Führungspersönlichkeiten wie z.B. Wendelin Wiedeking oder Martin Winterkorn.

Ich plädiere nur für die Abdankung von Verhaltensweisen, die das Vertrauen in einer Organisation nachhaltig erschüttern – und dazu gehört das Verhalten von Ferdinand Piech in seiner jüngsten Aktion in besonderem Maße.

Ich habe überhaupt nichts gegen Konsequenz und harte Entscheidungen, wenn die Leistung einer Führungskraft nicht stimmt oder zu stimmen scheint.  Aber ich habe etwas gegen die Art und Weise, wie man damit umgeht.

Ferdinand Piech geht mit Menschen um, wie man es in Zeiten eines Gutsherrn und auch noch gerne im Industriezeitalter an den Tag gelegt hat:  entweder er oder sie funktioniert – oder nicht – und wenn nicht, wird ausgetauscht.  Man hat welche, die besser funktionieren schon in der Hinterhand.

Als Ferdinand Piech diesen fatalen Satz  „ich gehe auf Distanz zu Martin Winterkorn“ äußerte,  ergänzte er dies später auch noch mit Aussagen, „es müssten nur die Richtigen an die Spitze – und die kenne er bereits.“

Schlimm ist nicht, dass man die Ergebnisse von Martin Winterkorn durchaus hinterfragen könnte.  Schlimm ist auch nicht, in ausweglosen Situationen nach besseren Alternativen zu forschen, bevor ganz die Lichter ausgehen  (siehe das bekannte Gebaren im Fussballgeschäft in Bezug auf die Trainerwechsel).

Schlimm ist die Art und Weise, wie Menschen in Machtpositionen – und das sind nun einmal Führungskräfte –  mit enttäuschten Erwartungen gegenüber ihrer Führungsriege und ihren Mitarbeitern umgehen.

Ferdinand Piech ist als Ingenieur brilliant und er hat sicher noch mehr außergewöhnliche Begabungen.  Aber ihm fehlen offenbar elementare Kenntnisse in der Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen.  Er hat scheinbar gelernt, dass man das für den Erfolg nicht bräuchte und dass einzig und allein persönliche Ergebnisse und Fähigkeiten für den Erfolg zählen.

Er senkt den Daumen über einem Menschen, mit dem er über 35 Jahre erfolgreich zusammen gearbeitet hat.  Er senkt den Daumen über einem Menschen, den er selbst als einen persönlichen Assistenten eingestellt hat und den er gefördert hat.  Vor Jahren war Martin Winterkorn „der Richtige“.  Genauso „richtig“, wie die Jungs, die jetzt schon bereit gestanden haben, um Martin Winterkorn in der Sonne des Aufsichtsratsvorsitzenden zu beerben.

Warum gehen solche Prozesse im Umgang mit enttäuschten Erwartungen – und nur darum geht es ständig –  nicht anders?  Nicht vertrauensfördernder?

Ein Vorstandsvorsitzender eines Wiener Unternehmens hatte beschlossen, einen beliebten Geschäftsführer aufgrund fehlender Resultate zu entlassen. Der Nachfolger war schnell gefunden und der Vorstandsvorsitzende wollte den Wechsel an der Spitze per Organisationsmitteilung der Belegschaft mitteilen. Das ist das gleiche unwürdige Vertrauen-zerstörende Verhalten:  den Daumen senken und dies sang- und klanglos der Umwelt mitteilen.  Manche Menschen sagen dazu „das Geschäft ist nun mal brutal – und jeder kennt doch die Spielregeln“.

Das Interessante am Wiener Vorstandsvorsitzenden war, dass er sich eines Besseren besonnen hatte und zumindest eine völlig andere Strategie der Kommunikation wählte!  Er besann sich zunächst an der elementaren Führungsaufgabe, VERTRAUEN ZU SCHAFFEN.

Um auch in so einer kritischen Situation wie der Ablösung eines beliebten Geschäftsführers kein Vertrauen zu zerstören, sondern vielleicht die Chance für die Bildung von Vertrauen zu nutzen, wendete der Vorstandsvorsitzende einige der 13 Vertrauensregeln an: (s. Schnelligkeit durch Vertrauen).

Er verwarf die Idee des Aushangs, sondern lud zunächst die betroffene zweite Führungsriege zu sich ins Büro ein. Er lud dazu den beliebten Geschäftsführer und seinen Nachfolger dazu ein, mit denen er vorher den Prozess abgesprochen hatte. Er war ehrlich mit der Situation, er erzeugte Transparenz  durch klare Fakten, er zollte ehrlichen Respekt gegenüber den Leistungen des scheidenden Geschäftsführers und er klärte deutlich die Erwartungen hinsichtlich des Umgangs mit dem Nachfolger etc.

Jeder der Führungsriege zollte diesem Vorgehen im Nachhinein größten Respekt und von Vertrauensverlust war nichts zu spüren – im Gegenteil.  Sie wussten alle woran sie sind und sie hatten das Gefühl, dass nach klaren Regeln gespielt werden wird.  Wenn sie selbst einmal in einer Geschäftsführerrolle wären, hatten sie eine Art Gewähr, dass mit Ihnen genauso offen und fair umgegangen wird.

Natürlich war auch in diesem Fall der Prozess bis zur Entscheidung der Ablösung keinesfalls so offen und fair verlaufen, wie der Prozess der Ablösung als solches.  Wer weiß, womöglich wäre es gar nicht zur Ablösung gekommen, wenn die enttäuschte Erwartungshaltung des „oberen“ genau von diesem besser behandelt worden wäre.

Aber Ferdinand Piech handelt einfach nur respektlos und tritt das Wert „Vertrauen“ mit beiden Füßen voll ins Gesicht — und genau dies ist ihm zum Vorwurf zu machen.

In unserer globalisierten Welt ist „Vertrauen“ ein elementarer Baustein, um das Große und Ganze überhaupt am Laufen zu halten. Als Maschinenbauer müsste er wissen, dass das Getriebe streikt, wenn das Öl fehlt.  Genauso streikt das Große und Ganze, wenn der Schmierstoff „Vertrauen“ ausgeht.

Was mich an diesem Prozess aber freut und hoffnungsvoll macht:  Ferdinand Piech hat vom restlichen Aufsichtsratsgremium eine für ihn sicher schmerzvolle Absage erhalten.  Plötzlich muss der  Mann erkennen, dass sein Einfluss offenbar viel kleiner ist, als er annahm.  Sein eigenes Verhalten führt nun gleichfalls zur Minderung seiner eigenen Vertrauenswürdigkeit und man wird immer weiter auf Abstand zu ihm gehen.  Genau so fallen die Großen früher oder später:  man vertraut ihnen nicht mehr — genauso, wie sie vorher anderen das Vertrauen auf unwürdige, respektlose Art entzogen haben.

Das ist wieder das Schöne: dass gewisse Prinzipien wirklich vor niemandem Halt machen.