Führung und die letzte Fussball-WM

Der Erfolg der Deutschen hatte Methode!

Teams treten an, um Erfolg zu haben.  Was ist der Erfolg?  Nur der WM-Titel – zumindest für die Nationen die schon einmal Weltmeister waren (Brasilien, Frankreich, England, Spanien, Deutschland) oder für die, die sich für gut genug halten.  Für die anderen ist es bereits ein Erfolg, die Gruppenphase überstanden zu haben, oder gar das Viertel- oder Halbfinale zum ersten Mal zu erreichen.

Wie immer ist Erfolg ein subjektives Phänomen – im Weltfussball, wie auch in der Wirtschaft.

Jeder will ihn, denn wenn wir erfolgreich sind, geht es uns gut – ein einfaches Grundgesetz mit einem kleinen Haken:  Erfolg ist flüchtig.  Es sind eigentlich nur kurze Momente, welche im nächsten Augenblick durch die neuen Realitäten schon wieder verblassen.  Oder was glauben Sie, in wie weit sich ein Christiano Ronaldo beim Ausscheiden in der WM noch an seinem Champions-League-Titel vom Mai erfreuen konnte?  Gleiches gilt übrigens für den CEO mit einer Rekordbilanz.

Und so suchen wir ihn – immer und immer wieder auf’s Neue – den Erfolg in unserem Handeln.  Und wenn wir es mit Teams zu tun haben, brauchen wir Menschen, die den Erfolg herbeiführen können – und schon sind wir wieder bei uns, den Führungskräften.

Stichwort Einfluss: Im Fussball kann man besonders gut beobachten, wie undankbar die Rolle einer Führungskraft manchmal sein kann.

Jürgen Klinsmann z.B. hatte wieder mal alle Register gezogen, um ein spielerisch mittelmäßiges US-Team mit viel körperlicher und mentaler Fitness, sowie seiner unnachahmlichen Fähigkeit, seinen Spielern den Glauben an Ihre Fähigkeiten zu stärken, an den Rand eines historischen Triumphs zu führen – hätte sein Spieler Jack Dempsey in der letzten Minute den Ball nicht an den Pfosten, sondern ins Tor befördert.  So fuhren die US-Boys doch vorzeitig nach Hause und die US-Nation mit ihrem Verband werden sich die Frage stellen:  ist Jürgen Klinsmann weiterhin ein guter Trainer für die USA? Kann er das Team wirklich weiterentwickeln? Vertrauen wir ihm noch?

Das sind die selben Fragen, die sich ein Aufsichtsrat bei ihren Vorständen ständig stellt, und es sind die selben Fragen, die Ihrem Boss über Sie ab und an in den Kopf kommen:  ist sie/er der Richtige? Trauen wir ihm/ihr es wirklich zu, die Organisation erfolgreich zu führen – und zwar nicht nur ins Viertelfinale, sondern sogar zum Titel?

Ich beobachte das Verhalten und die Ergebnisse der Teams sehr genau – eben nicht nur, weil ich Fussballfan bin, sondern, wie schon beschrieben, weil man wahnsinnig viel lernen kann über die Grundgesetze von Führung und Erfolg.

Stichwort Vertrauenswürdigkeit: In meine persönliche „Hall of Fame“ der wirklichen Erfolgstrainer nehme ich Ottmar Hitzfeld auf.  Dieser Mann verkörpert extrem viel, was nachhaltigen Erfolg ausmacht.  Dieser Mann ist nicht so sehr an persönlichem Ruhm, sondern am Erfolg der Sache und des Team orientiert. Extrem diszipliniert und in erster Linie eine Menschenfreund. Sein Umgang mit seinen Spielern ist legendär und ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, dass ich sehr genau hinhöre, wenn Menschen über ihre Führungskräfte sprechen. Bei Ottmar Hitzfeld habe ich noch niemanden gehört, der diese Führungskraft nicht in höchsten Tönen lobt.  Dieser Trainer hat seinen Spielern Erfolge verschafft und er konnte sie weiterentwickeln.  Und sie haben sich von ihm auch weiterentwickeln lassen.  Für Misserfolge hat er die Verantwortung übernommen und in kritischen Situationen ist er niemals laut geworden.  Er hat unglückliche Umstände akzeptiert und an Verbesserungen gearbeitet.  Er hatte ein Gespür für die Fähigkeiten seiner Spieler und für deren Defizite.

Mit Dortmund und Bayern hat er jeweils die Champions-League gewonnen und mit seinem kleinen Schweizer Team stand er mit einem Bein im Viertelfinale der letzten Fussball-WM.

Ohne Zweifel:  eine großartige Führungskraft!

Stichwort Systeme: Bei Führungskräften wird immer wieder darüber diskutiert, in wie weit Strategie, Taktiken und Systeme für den Erfolg entscheidend sind. Schaut man sich dieses Thema bei der Fussball-WM an, so bin überaus enttäuscht. Es gab – mit einer kleinen Ausnahme des deutschen Teams – keine Mannschaft, die ein klares Konzept aufwies.  Bei der letzten WM war alles auf den Moment ausgelegt. Das ist auf der anderen Seite völlig absurd, denn noch nie waren die Trainerstäbe so vollbesetzt mit Scouts und Spielanalysten. Noch nie wurden so viele Daten gesammelt und Statistiken geführt. Und dennoch sah ich kein Team, welches versuchte, ein kluges überzeugendes Konzept konsequent durchzuziehen – so wie es die Spanier in den letzten 6 Jahren demonstriert hatten.

Plötzlich fallen wieder Tore aus Standard-Situationen oder Einzelaktionen.  Alles ist irgendwie zufällig und verkrampft – gerade in all den Partien, um denen es im KO-System um besonders viel ging. Keine Mannschaft, die nicht die Hoffnung auf ein bis zwei „Stars“ legte, die den Unterschied schon irgendwie machen würden:  Neymar für Brasilien, James für Kolumbien, Robben für die Niederlande, Messi sowieso.

Da sitzen diese Trainer also da draußen, stellen ihre Spieler verstärkt in die Abwehr und wenn der Gegner den Ball hat, wird zerstört. Den Erfolg sollen die Stars dann irgendwie liefern.

Ein Pep Guardiola muss Krämpfe bekommen, wenn er sich diese Spiele angeschaut hatte.

Also in dieser Beziehung war die WM für mich der totale Rückschritt. Rückkehr zum reinen Ergebnisfussball. Blick auf Kurzfristigkeit. Hauptsache Durchkommen.

Hier ergeben sich für mich keinerlei Inspirationen als Führungskraft.

Ich würde mir vielmehr wünschen, dass man wenigstens zwei drei klare Alternativ-Konzepte in petto hat, je nach Gegner und Spielsituation und dass man diese Strukturen dann auch auf dem Platz erleben und nachzeichnen kann.

Aber vielleicht ist da meine Erwartung auch zu hoch – zu kurz sind die Vorbereitungszeiten um sich solche Systeme und Prozesse zu erarbeiten.

Aber es zeigt trotzdem deutlich, welche Bedeutung gute Strategien, Systeme und Prozesse haben. Sie bringen mehr Kontrolle und vermeiden ungewollte Gegentore aus chaotischen unübersichtlichen Spielsituationen.  Für die Zuschauer ist das dann ein Spektakel. Aber für die Führungskräfte ist das meist der erste Schritt zur unrühmlichen Abdankung.

Gerade kürzlich habe ich einen CEO getroffen, der seit Jahren bessere Zahlen herbeisehnt und der langsam das Vertrauen in seine Führungsmannschaft verliert.  Also ich ihn gefragt habe, wie überzeugend  denn auf der Skala von 0-10 das Konzept sei,  „in spätestens zwei Jahren wenigstens in die schwarzen Zahlen zu kommen“ , antwortete er frustriert „na 0“.  Es ist einfach kein klares Konzept und System für die Erreichung solcher Ziele vorhanden und schon spielt das Unternehmen nur in der Abstiegszone.

Das Team Deutschland hatte letztlich alles:

Die Vision,  Die Lust,  Den Willen,  Die Organisation,  Das Spielsystem,  Die Spieler.

Es war grandios damals….!