Mein bester Moment

Es gibt besondere Momente im Leben – und diese kommen meist mit außergewöhnlichen Gefühlsregungen einher. So geschehen auch in einem großen Konferenzraum einer deutschen Fabrik eines amerikanischen Nahrungsmittelherstellers.

Im Raum befand sich die höchste deutsche Managementriege des Konzerns und sie erwarteten eine fünfzehnminütige Präsentation über die Ergebnisse einer Initiative, die der damalige Fabrikleiter in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einführte, um die Performance der Fabrik signifikant zu steigern.

Ich saß als Gast der Veranstaltung in der Nähe des Podiums und konnte sehr gut beobachten, wie die Manager-Riege etwas erstaunt dreinblickte, als der Fabrikleiter Jake (von dem noch die Rede sein wird) nach einer kurzen Begrüßung das Wort an einen seiner Schichtleiter in der Fabrik abgab. So etwas hat es scheinbar in diesen Sphären noch nicht gegeben – anders konnte ich mir das Raunen im Raum nicht erklären.

Ich kannte den Schichtleiter sehr gut aus unserer gemeinsamen Projektarbeit der letzten Wochen und aus einem „7 Habits Kurs“, den der Fabrikleiter vor der besagten Initiative zur Steigerung der Performance als Grundlage für die Veränderungen in der Fabrik für alle Mitarbeiter durchführen ließ.

Da stand er nun – zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Riege Entscheidungsträger in Anzug, Schlips und gewienerten Schuhen. Der Raum war totenstill und meine eigene Anspannung konnte ich nur durch einen Griff zum Wasserglas etwas besänftigen. Und dann geschah etwas, was ich den Rest meines Lebens nicht vergessen werde.

Der Mann der noch nie in seinem Leben vor so einem Gremium eine Präsentation hielt, ging zunächst zum Flipchart, nahm einen Stift, und seine allerersten Worte waren: „Meine Herren, was ist das Ergebnis dieser Gleichung?“ während er mit einer Riesenschrift „1 + 1 = ?“ auf das Papier malte.

Fast hätte ich mich am Wasser verschluckt und die Augen der Manager wurden immer größer. Irgendwo aus den hinteren Reihen kam die Antwort „2“ und unser Schichtleiter lächelte und sagte „das dachte ich bisher auch, aber das stimmt nicht immer“.

Und so begann er seine Präsentation und ich sah niemanden mehr verstohlen auf sein Handy schauen, um die neuesten E-Mails abzurufen. Sie alle schauten nach vorne und waren gespannt auf das, was unser Schichtleiter zu berichten hatte.

Er erzählte davon, wie er zum ersten Mal mit den „4 Disziplinen der Umsetzung“ in Berührung kam. Er hatte schon viele Initiativen in seiner Zeit in der Firma kommen und gehen sehen. Aber dieser Ansatz erschien ihm von Anfang an plausibel. Er erzählte davon, wie er von seinem Abteilungsleiter in einer Sitzung für alle Schichtleiter das Abteilungs-WIG , also das absolut wichtigste strategische Ziel, abgeleitet vom WIG der Fabrik vorgestellt bekam und nun vor der Aufgabe stand, für sein Team der Mehl-Verpackung zwei eigene Team-WIG’s zu definieren (Disziplin 1), dann sich mit seiner Mannschaft passende Frühindikatoren bzw. Hebel zu überlegen, wie sie diese beiden strategischen Team-Ziele wohl erreichen könnten (Disziplin 2), ein einfaches aber motivierendes Scoreboard zu entwickeln, um im Tosen des Tagesgeschäfts immer zu wissen „gewinnen wir oder verlieren wir?“ (Disziplin 3) und schließlich ein kurzes regelmäßiges Meeting einzuberufen, um sich und sein Team gegenseitig immer wieder verantwortlich für ihre beiden Teamziele zu halten (Disziplin 4).

Er blendete schließlich seine ersten Slides ein und erzählte davon, wie sie diesen Prozess relativ schnell bei sich etablierten. Auf dem ersten Slide zeigte er die Resultate für das WIG #1 „Wir reduzieren die Überschußmenge bei der Mehlversackung von 8% auf 3%„. Die Slides zeigten grafisch, wie sie nach 4 Monaten das Ziel nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen haben. Der aktuelle Wert stand sogar bei 2,1% und er zeigte sich optimistisch, diesen Wert in den kommenden Monaten sogar noch weiter zu reduzieren.

Weiters berichtete er mit Stolz, dass ihnen in den regelmäßigen „WIG-Sessions“ sogar die Idee für eine Verfahrensänderung gekommen sei, die sie nicht nur dem Ziel näherbrachte, sondern auch noch die geplante Investition einer neuen Abpack-Maschine überflüssig machte. Als unser Schichtleiter dann auch noch ein Slide zeigte, in der er penibel aufführte, welche Kosten in Euro sich der Konzern in den nächsten drei Jahren durch die Zielerreichung einsparen würde und welche Investitionssumme durch die Teamkreativität für andere Zwecke genutzt werden könne – da konnten sich einige Manager im Raum nicht zurückhalten und quittierten diese Ausführungen mit ihrem spontanen Applaus.

Der Schichtleiter bedankte sich verlegen und präsentierte noch kurz die Ergebnisse des zweiten von ihnen selbst gewählten Team-WIG’s „Wir steigern die Mitarbeiter-zufriedenheit in unserem Team von derzeit 4,7 auf >8 auf unserer internen 10er Skala

Auch hier zeigte er anhand seines Team-Scoreboards den aktuellen Wert von 8,5 und berichtete mit leicht bewegter Stimme, wie der Prozess der „4 Disziplinen der Umsetzung“ ihnen geholfen hat, sich weniger über die Probleme des Alltags zu echauffieren, sondern sich plötzlich auf die gemeinsamen wichtigsten Ziele und deren Umsetzung zu konzentrieren. „Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass nichts so produktiv ist, wie das Gefühl zu gewinnen“, sagte er, während er langsam wieder zu seinem Flipchart zu Beginn schritt und schrieb „1 + 1 = 100“.

Das meine Herren ist die Formel für Synergie! Danke für die Aufmerksamkeit„.

Ich hatte Tränen in den Augen und ich bezeichne diesen Moment bis heute als die schönste Erfahrung in meiner beruflichen Karriere – egal ob als Manager in meinen früheren Konzernen oder jetzt als Coach und Unternehmensentwickler meiner Kunden.

„You manage things, but you lead people“. Diese Kurzfassung eines berühmten Satzes von Peter Drucker führt mir immer wieder vor Augen, dass unser Erfolg in den Unternehmen immer noch nicht von der Technologie, sondern immer noch vom Engagement unserer Mitarbeiter abhängt.

Menschen in ihrem Potential zu erkennen und mit ihnen als Partner eine Unternehmensmission, – Vision, – Strategie erfolgreich umzusetzen, ist eines der großartigsten Dinge, die wir als Führungskräfte tun können.

Der damalige Fabrikleiter Jake hatte diese Grundhaltung. Er ist bis heute für mich ein Vorbild als Mensch und als Führungskraft. Er glaubte an ein System wie die „4 Disziplinen der Umsetzung“ um sowohl die wichtigsten strategischen Ziele im Kampf gegen das Tagesgeschäft umzusetzen und gleichzeitig das Engagement seiner Mannschaft zu steigern. Er glaubte nicht nur daran, sondern er hatte die eigene Kraft und Disziplin das System gegen alle Widerstände zu etablieren.

Hier ein Auszug aus seinem persönlichen Leitbild „……To be remembered as an enabler for others by helping them to realize & recognize the barriers in their life and how to overcome them…. I will help others understand their contributions at work, or toward the success of any team they are part of….

Nach über 25 Jahren im Business komme ich zu dem Schluss, dass es verdammt viele gute Manager gibt, aber nur ganz wenig wirklich gute Führungskräfte. Gute Führung kann man lernen – das ist nicht das Problem. Zunächst muss man es überhaupt erkennen, dass es einen Unterschied zwischen Management und Führung gibt. Dann muss man sich entscheiden, nicht nur ein guter Manager für Quartalsziele, Budgets, Projekte, Krisen etc. sein zu wollen, sondern auch eine wirklich gute Führungskraft, die ein Team von Menschen in eine bessere Zukunft mitnehmen kann – egal wie groß die Hürden in der Aktualität auch immer sind.

Wer das sein möchte, der braucht ein System zur Umsetzung seiner wichtigsten Maßnahmen, um seine Organisation Schritt für Schritt auf ein höheres Niveau zu heben. 

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