Es gibt einen bemerkenswerten Satz, dessen Urheber ich leider nicht mehr kenne. Dieser Satz bezieht sich auf das Verhalten von Mitarbeitern in den Unternehmen. „Most people in organizations play „not to lose“ rather than „play to win“! „
Dieser kleine Satz beschäftigt mich schon lange und er ist sicher einer der größten Quellen für Mittelmäßigkeit – oder auf der anderen Hand – für ausgeprägten dauerhaften Erfolg, vorausgesetzt, die Mitarbeiter „spielen um zu gewinnen“.
Was macht den Unterschied aus? Wie kann man das beeinflussen – denn diese Frage ist für jede Führungskraft elementar.
Zunächst möchte ich die Geschichte von Captain William Swenson kurz wiedergeben. Er war 2009 Captain der US-Truppen in Afghanistan und sein Trupp begleitete eine Gruppe afghanischer Wahlhelfer durch das Land. Dieser Trupp ist in einen Hinterhalt der Taliban gefallen und befand sich unter feindlichem Feuer.
William Swenson selbst begab sich unter Lebensgefahr auf das Schussfeld und rettete zusammen mit einem Soldaten einen verwundetes Mitglied seiner Truppe. Zusammen trugen sie ihn zu einem Rettungshubschrauber. Einer der Begleitpersonen hatte eine Helmkamera dabei und so wurde die ganze Szenerie ohne Wissen von Captain Swenson auch noch gefilmt.
Der Film zeigt, wie Captain Swenson den verwundeten Soldaten im Hubschrauber auf eine Trage legt und bevor er sich umdrehte, um weitere Hilfe zu organisieren, beugte er sich zu dem Soldaten im Helikopter hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Captain William Swenson wurde nach einer eigenen Verwundung und nach der Rettung durch seine eigenen Leute mit der Congressional Medal of Honor ausgezeichnet – aber das ist in unserem Zusammenhang nebensächlich.
Viel wichtiger ist für mich die Frage: warum machen Menschen so etwas? Warum riskieren sie ihr Leben um sich für andere aufzuopfern? Warum?
Die einfachste Antwort könnte lauten: weil sie bessere Menschen sind! Und weil sie bessere Menschen sind, gehen sie zum Militär um das auszuleben…..
Aber bei näherer Betrachtung ist das natürlich Unsinn! Das sind keine besseren Menschen. Das sind Menschen wie Du und ich. Und trotzdem bleibt die Frage: warum verhält sich ein Captain Swenson so wie er es tat?
Die Antwort: „Weil sie es für mich genauso getan hätten!“
Umfassender ausgedrückt: es ist ein Gefühl von Vertrauen und Kooperation vorhanden, welches ein solches mutiges Verhalten fördert.
Er tat es, weil er genau wusste, die anderen würde das gleiche für ihn tun! Dieses Vertrauen ist die Triebfeder für solche außergewöhnliches Verhalten.
In der Business-Welt ist es genau anders herum: Um sich selbst zu schützen, opfern Chefs ihre Mitarbeiter – meist wann immer es ihnen in den Kram passt.
Auch hierzu eine wahre Geschichte.
Tatort Flughafen Boarding-Gate. Wir kennen die Szenerie. Endlich wird der Flug zum Boarding aufgerufen – aber zunächst nur die Leute mit Kategorie A. Alle anderen Passagiere werden gebeten sich noch etwas zu gedulden.
Wie immer gibt es trotzdem ein paar Menschen die – aus welchen Gründen auch immer – sich trotzdem anstellen, obwohl sie nicht zur aufgerufenen Kategorie gehören.
Einer dieser Unglücksraben wird daraufhin von der Check-In-Dame am Schalter rüde angeschnauzt, er solle gefälligst warten, bis seine Kategorie aufgerufen würde. Der Mann war Ausländer und verstand kein Wort, aber er trollte sich.
Ein anderer Mann ging auf die Check-In-Dame zu und fragte sie höflich, warum sie die Menschen wie Vieh behandelt?
Sie schaute ihn entgeistert an und sagte nur trocken: „Wenn ich die Regeln nicht befolge, dann verliere ich meinen Job!“
Warum verhält sich diese Dame so und nicht anders? Warum ist sie nicht kulanter, respektvoller?
Ganz einfach: sie hat Angst! Sie hat Angst vor Job-Verlust. Und wer erzeugt dieses Umfeld von Angst und Unsicherheit? Richtig: ihre Vorgesetzten!
Die Frau weiß genau, dass sie sich vermutlich nicht auf ihre Vorgesetzten verlassen kann, wenn sie mal aus irgendwelchen Gründen von den Vorschriften oder Normen abweichen würde. Sie würde definitiv Schwierigkeiten bekommen. Also besser auf Nummer sicher gehen und „bloß nicht verlieren“. Diese Frau spielt „not to lose, rather than to win“.
Und schuld sind nicht zuletzt ihre Vorgesetzten.
Führen durch Angst ist ein probates Mittel, um Menschen an der Stange zu halten und sie zum Arbeiten zu bewegen.
Wir kennen alle die Statistiken, dass die Krankheitsraten erheblich zurückgehen, wenn die Konjunktur schlecht steht und die Mitarbeiter um ihre Beschäftigung fürchten müssen.
Aber welcher Preis wird für diesen Führungs-Stil tatsächlich gezahlt?
Hier trennt sich einfach die Spreu vom Weizen — hier trennt sich die mittelmäßige Organisation von der wirklich erfolgreichen Organisation.
Hervorragende Führungskräfte führen niemals über Angst. Sie können Vertrauen aufbauen und den Menschen in ihrer Organisation das Gefühl der Sicherheit geben. Das wiederum führt zu mutigem Verhalten und mutigen Entscheidungen. Man traut sich was und man setzt sich auch für andere ein.
In einer Angstkultur setzt man sich nur für sich selbst ein und die Quellen der Synergie bleiben hermetisch verschlossen.
Nun höre ich Ihren inneren Kritiker rufen: „Aber es gibt doch gar keine Sicherheit, die Welt ist unsicher und die Märkte sowieso. Wir können den Mitarbeitern doch nicht etwas vorgaukeln, was es gar nicht gibt!“
Ich verstehe diesen Einwand, nur trifft er nicht den Kern.
Natürlich kann kein Manager heutzutage noch eine lebenslange Jobgarantie ausgeben, das wäre fahrlässig! Aber ein Manager kann trotzdem Vertrauen aufbauen und für ein Gefühl der Sicherheit sorgen u.a. durch folgende Maßnahmen:
- er geht z.B. auch in Krisen stets mit gutem Beispiel voran und schränkt sich und seine Führungskollegen in ihren eigenen Ausgaben und Mitteln ein (z.B. Reduzierung der Geschäftswagen-Klasse etc.)
- sie/er weist in ruhigen Zeiten allen Mitarbeitern transparent aus, wie man sowohl im Erfolgsfall des Unternehmens sich verhält, aber auch wie im Verlustfall agiert wird. Die Regeln für den Fall von Performance-Tälern sind allen Mitarbeitern von vornherein transparent – es gibt einfach keine negativen Überraschungen.
- neben den klassischen Steuerungskennzahlen orientiert man sich an der Unternehmenskultur und ihren Werten. Diese Werte sind nicht für ihren Selbstzweck bestimmt, sondern es wird auch das Verhalten der Führungskräfte aktiv danach bewertet und – im Negativfall – auch unter größtmöglicher Transparenz das Fehlverhalten kommuniziert.
Kein Mitarbeiter ist so naiv zu glauben, dass sein Arbeitsplatz Zeit seines Lebens sicher ist. Darauf kann man sich mental einstellen und die Führungskräfte können dies aktiv unterstützen.
Wenn diese Ur-Angst etwas gedämpft oder gar genommen ist, dann kann man weitere Register ziehen, um Vertrauen zu schaffen. Die drei oben genannten sind nur ein kleiner Auszug aus dem Portfolio wie man ein vertrauensvolles Umfeld schaffen kann.
Deshalb die Bitte: Unterstützen Sie in Ihrer Führungsrolle nicht weiter diese „Angst-Schleife“!
Weil Sie selbst sich vor etwas fürchten (Jobverlust, Gefährdung der Karriere etc.) stellen Sie harte Regeln auf, die wiederum ihren Mitarbeitern Angst machen und die sie das Spiel „not to lose“ spielen lassen. Das wiederum schränkt die Performance ihrer Organisation ein und schürt wiederum Ihre Ängste, als Verantwortlicher vor den Augen der Chefs oder Aufsichtsgremien zu verlieren.
So dreht sich diese Angst-Schleife immer und immer weiter. Das Potential welches hier auf der Strecke bleibt, kann man fast mit Händen fühlen.
Es hängt von Ihnen ab, ob Sie ihren Mitarbeitern dieses Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit geben können und wollen.
Die Mittel hierfür sind vielfältig und würden den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Wer sich hier weiterentwickeln möchte, dem sei der Bestseller „The Speed of Trust“ empfohlen, oder Sie schauen sich einmal in Ruhe folgende Webseite an: http://www.myspeedoftrust.com
Lassen Sie sich von dieser Angst-Schleife in den Unternehmen nicht anstecken!
Ich verabschiede mich im August in die Sommerpause und nutze die Zeit mich wieder vollständig fit zu bekommen.
Der Blog geht wieder weiter am 1. September.
Halten Sie Ihre „Säge scharf“! Bis bald