Man kann als Führungskraft verdammt viele Fehler machen – das ist wohl wahr! Und einer der gravierendsten Fallen in die man treten kann, liegt schon in den ersten 100 Tagen der neuen Amtsführung!
Einverstanden – über die Zahl der Tage kann man streiten und in der Realität stellt sie wohl die Obergrenze für den „Welpenschutz“ dar, aber wir wissen dadurch einfach alle, was damit gemeint ist.
Vor ein paar Jahren gab es einen Wechsel an der Spitze einer Stabsstelle einer großen Firma. Der neue Manager hatte sich durch eigene Firmen eine hohe fachliche Kompetenz in diesem Metier erarbeitet und als er in der neuen Rolle antrat dauerte es keine drei Tage und er stellte die Organisation strukturell auf völlig neue Füsse.
Man muss sich also vorstellen, dass dieser Mann den Plan für die neue Struktur schon lange vorher im stillen Kämmerlein ausgearbeitet hatte und ihn gleich am Start aus der Tasche zog.
Natürlich hatte er diesen Plan benötigt, um den Aufsichtsrat von sich als fähigen Kandidaten zu überzeugen. Diesen Plan aber gleich aus der Tasche zu ziehen und seinen Leuten von Anfang klar zu machen: „Jetzt passt mal auf! So werden wir in Zukunft arbeiten und uns sinnvoll aufstellen! Ich bin voll davon überzeugt, dass das uns erfolgreich machen wird!“ – das ist ein Kardinalfehler von Frauen und Männer in Führungsrollen, die den Unterschied zwischen Management und Führung noch nicht verstanden haben und in Bezug auf eine wahre Qualität als echte, großartige Führungskraft noch eine Menge Entwicklungsweg vor sich haben — gleichgültig, welchen MBA-Abschluß oder Doktortitel sie sonst anstreben.
Das zweite Beispiel stammt von einen Produktionsleiter eines mittelständischen Unternehmens in Süd-Deutschland.
Kaum im Amt, fängt der Mann an Dinge zu verändern. Und zwar Dinge, die die Organisation bereits längst diskutiert hatte und als wenig effektiv bewertet hatte. Er führt es trotzdem ein und treibt seine Organisation nun vor sich her – in voller Überzeugung das Richtige zu tun!
Das dritte Beispiel stammt aus der Beraterbranche. Der Mann, (wieder mal ein Mann, aber es hätte aber auch eine Frau sein können) bekam den Job, weil die Verkaufszahlen nicht so waren, wie sich der Aufsichtsrat das vorgestellt hatte. Also machte er sich von Tag 1 an an die Arbeit und krempelte den Laden so um, wie er das aus seinen früheren Vertriebstätigkeiten in der Industrie gelernt hatte. Seine Entlassung sechs Monate später war schon am ersten Tag praktisch vorprogrammiert.
Das sind drei Beispiele aus der Praxis und ich könnte Wetten abschließen, dass Ihnen aus ihrer eigenen Zeit in der Arbeitswelt ähnliche Phänomene begegnet sind.
Warum machen Führungskräfte diesen Quatsch? Warum verhalten sie sich so?
Sie wollen von Tag 1 an natürlich zeigen, dass sie die Richtigen sind!! (und dadurch hoffen, dass das als großartige Führung verstanden wird und die Leuten ihnen dann aus Überzeugung schon folgen werden…)
„Hier bin ich und ich habe die Aufgabe bekommen, hier Ergebnisse zu liefern, die mein Vorgänger nicht hinbekommen hat, also müssen wir was ändern! Und ich weiß wie es geht, dafür hat man mich schließlich geholt. Dafür werde ich bezahlt. Dafür bin ich da und ich fang gleich mal damit an..“
Dieser hier beschriebene Glaubenssatz klingt für uns völlig plausibel, und so haben wir es gesagt bekommen und so haben wir es gelernt. Nur – dieser Glaubenssatz ist nicht effektiv!
Wir wissen aus früheren Einträgen in diesem Blog, dass Glaubenssätze unser Verhalten bestimmen. Wenn ich als Manager nun überzeugt bin, es liegt einzig an mir diese Richtung vorzugeben, dann verhalte ich mich genau so, wie die drei Beispiele es gezeigt haben.
Wie sieht dagegen der effektive Glaubenssatz aus?
„Hier bin ich und ich habe die Aufgabe bekommen, zusammen mit meiner Organisation herausragende Ergebnisse zu liefern die mein Unternehmen zur eigenen gesunden Fortentwicklung dringend benötigt. Wir sind nicht da wo wir sein wollen und ich habe schon eine Vorstellung davon, wie wir den Turnaround schaffen. Aber die beste Lösung kann ich noch gar nicht kennen, ich habe diesen Laden noch gar nicht verstanden!“
Jetzt mal angenommen, man hätte es mit Mann/Frau zu tun, die so einen Glaubenssatz vor Augen hat? Wie würde sie/er sich nun zu Beginn verhalten?
Antwort: Man würde sich in den ersten (maximal) 100 Tagen darauf konzentrieren, das eigene Team, die Organisation, die Restriktionen, das Geschäftsumfeld etc. besser zu verstehen und schon während dessen sein eigenes Führungsteam in die rasche Neuausrichtung (sofern sie wirklich notwendig ist) aktiv und partnerschaftlich mit einzubinden.
Auch wenn jetzt manche innerlich aufstöhnen und sofort das Risiko einer Verwässerung der eigenen Ideen vor Augen haben nach dem Motto: „Management ist keine Demokratie“ etc. und das für einen „schwachen“ Ansatz halten. In Wahrheit ist es der stärkste Ansatz überhaupt, denn er baut Vertrauen auf!
Die oben skizzierten Manager vertrauen sich in Wahrheit selbst nicht, wenn sie meinen, sie müssten von Tag 1 an den Laden auf den Kopf stellen. Warum vertrauen sie nicht der Tatsache, dass sie ja nicht ohne Grund in diese Position geholt wurden – sowas spricht sich schließlich herum. Warum vertrauen sie nicht den ganzen Vorüberlegungen, die sie sich vorher gemacht haben? Das sichert ihnen in den Gesprächen mit dem eigenen Führungsteam über die besten Veränderungen die erforderliche Sicherheit: wenn man vielleicht keine gemeinsame Lösung findet, dann hat man immer noch wenigstens das, was man sich vorher überlegt hat.
- Natürlich wird man in der Organisation etwas verändern müssen oder wollen.
- Natürlich wird es dagegen Widerstände seitens der Mitarbeiter geben.
- Natürlich will man als neuer Chef seinen eigenen Vorgesetzten gegenüber zeigen, dass sie eine richtige Wahl getroffen haben…
…und genau im letzten Punkt liegt die Falle!
Die eigenen Chefs entscheiden zweimal über Ihre Eignung als Führungskraft: einmal bei der Entscheidung, dass man Ihnen den Posten überträgt und spätestens nach zwei Jahren, wenn Sie letztlich positive Ergebnisse erzielt haben müssen.
Dazwischen sollten Sie tunlichst darauf achten, das Vertrauen der eigenen Mannschaft zu gewinnen, denn die werden Sie letztlich hinter sich brauchen, um die Ergebnisse zu liefern.
Und dieser Vertrauensaufbau geschieht von Beginn an am einfachsten durch Zuhören, durch Verstehen, durch Respekt gegenüber den Erfahrungen der Mannschaft etc.
Entwickeln Sie mit ihren Leuten auf Basis dieser Zuhörarbeit eine Perspektive für die nächsten 2-3 Jahre – fragen Sie Ihr Führungsteam nach den notwendigen Schritten ab, die sie für eine Verbesserung vorschlagen würden und gleichen das mit Ihren eigenen Überlegungen ab. Im Zweifelsfall entscheidet Ihr Urteil, denn für die Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung werden wir als Führungskräfte schließlich auch besser bezahlt.
Diese Investition zu Beginn einer Amtszeit zahlt sich immer aus! Sie zahlen damit von Anfang an in das Vertrauenskonto zu Ihrem Führungsteam und Ihren Mitarbeitern ein. Jeder Grad der notwendigen Veränderungen wird Ihnen hinterher leichter fallen umzusetzen!
Ich habe schon zuviel ambitionierte und talentierte Manager erlebt, die mit der Fahne und lautem Hurra nach vorne marschiert sind und als sie sich herumdrehten, stand niemand mehr hinter ihnen – fragen Sie z.B. Peter Löscher von Siemens. Dieses Los kann man sich auf einfache Art ersparen!